Whitesnake - Live In The Shadow Of The BluesHard Rock
2006
SPV/Steamhammer
7/10Was soll man denn dazu überhaupt sagen, fragt sich der Rockfan. Als einer der legitimen Ableger von Deep Purple in den 80er Jahren gefeiert und dann schon soweit in der Versenkung verschwunden, dass kein Mensch mehr dran geglaubt hätte. Klar, da gab es zwischendrin ehrenwerte Versuche, die sich Coverdale / Page nennen. Und alle Jünger, die bei so einer geballten Kompetenz gehofft hatten, dass da etwas Wunderbares bei heraus kommt, warfen enttäuscht das Handtuch.
Jetzt ist aber auch an den Fans nicht vorbei gegangen, dass der harte Rock der 80er wieder in aller Munde ist. Das dachte sich Coverdale wohl auch. Und wenn er die legendäre Besetzung mit Micky Moody und Bernie Marsden nicht mehr zusammen bekommt, dann muss halt adäquater Ersatz her. Wer käme also in Frage? John Sykes hat keine Zeit, denn der huldigt in regelmäßigen Abständen lieber seinem verstorbenen Freund Phil Lynott auf der Thin Lizzy-Tour. Der Vorteil für ihn: Er ist der Chef und bestimmt die Abläufe. Man kann natürlich auch einen Blick auf die durchhaltende Konkurrenz werfen. Da findet man im Live-Line-up von Ronnie James Dio einen Gitarristen namens Doug Aldrich, der eindrucksvoll beweist, wie man sich mit modernen Sounds und stellenweise recht virtuos in das Repertoire altehrwürdiger Rocker einarbeiten kann. Wie passend, dass der auch noch im Abspulen der gesamten Purple-Klassiker so fit ist.
Lange Rede, kurzer Sinn! Aldrich ist dabei und flitzt über das Griffbrett. Und dann erscheint 2006 eine DVD mit dem Titel Live In The Still Of The Night . Als Bonus gibt es sogar noch eine passende Live-CD. Anschließend begibt man sich auf Tour, taucht sogar beim Rock-Hard-Festival u.a. auf. Und jetzt schlägt der unbarmherzige Drang nach Kommerz zu. Nur ein paar Monate später erscheint ein Doppel-Live-Album. Und das heißt, um ja keine Fehler zu machen, "Live In The Shadow Of The Blues".
Als treuer Fan lasse ich das natürlich durchgehen und stürze mich förmlich auf das neue Produkt. Ein paar Umläufe später setze ich mich hin und versuche das Gehörte wenigstens ansatzweise in Worte zu fassen:
Geiles Cover, also Volltreffer. Ich bin gespannt, immerhin behauptet Coverdale, dass dies die beste Besetzung von Whitesnake 'ever' ist. Viel hat sich im Line-up auch nicht verändert. Am auffälligsten für mich ist die Auswechslung von Marco Mendoza an der Bassgitarre. Der war auf der DVD zu Anfang des Jahres noch dabei...ach so, den habe ich im Sommer mit John Sykes bei Thin Lizzy gesehen. Da schließt sich schon wieder der Kreis.
Musikalisch wird das Album mit "Bad Boys" eröffnet. Der Song stammt ursprünglich vom 87er-Release "1987" und wurde damals von John Sykes geradezu zelebriert. Doug Aldrich spult das Ding ab, als wenn es nichts anderes gäbe. Klar, ein Tommy Aldridge (u.a. Ozzy Osbourne) lässt sich am Schlagzeug nicht lange bitten. Der spielt seine Soli auch ganz gerne mit den blanken Pfoten. Damit möchte ich sagen, dass er auf das Set drischt, als wenn er Angst hätte, dass ihn niemand hören könnte. Weiter geht es mit "Slide It In" aus dem Jahr 1984. Ein Beispiel dafür, dass sich die Band zum damaligen Zeitpunkt schon stilistisch verändern wollte. Kaum noch Orgelsounds, dafür aber heftige Gitarren. Coverdale ist auf dieser Live-Aufnahme zu diesem Zeitpunkt bestens bei Stimme.
Die Diskographie ist nach so vielen Jahren recht umfangreich, und natürlich machen es Whitesnake richtig, wenn sie einen Querschnitt bieten. "Slow An' Easy" und anschließend "Love Ain't No Stranger" aus 1984. Da warte ich dann nun aber wirklich zusehends auf die Klassiker aus der Anfangszeit. Der soll mir noch ein bisschen verwehrt bleiben. Erst gibt es noch den "Judgement Day" vom "Slip Of The Tongue"-Album aus dem Jahr 1989 und den Schmalz namens "Is This Love".
Track 10 und ich bekomme das erste Mal Gänsehaut. "Ain't No Love In The Heart Of The City", das ist Kult, das ist gut und noch heute unnachahmlich. Aber..…….: Jetzt offenbart sich eine erste Schwäche, die für meine Begriffe gar nicht so unbedeutend ist. Ich suche den Charme, das Feeling und die einfühlsamen Gitarrenläufe der Freunde Moody und Marsden. Und auch das Bassspiel eines Neil Murray wird hier nicht erreicht. Definitiv nicht. Und jetzt habe ich für mich persönlich natürlich schon die Antwort darauf gefunden, warum Whitesnake erst jetzt so tief in ihre Vergangenheit greifen und offensichtlich lieber die mittigen 80er Jahre offenbaren. Das Publikum möchte es hören, eindeutig. Anders kann ich die Jubelorgien nicht deuten, die sich da bemerkbar machen. Und auch Tommy Aldridge sollte es eigentlich tunlichst unterlassen, zu diesem Stück so zu wuchten. Furchtbar! Ich werde nachher noch einmal das Pendant "Live...In The Heart Of The City" auspacken und mir genussvoll geben.
Leute, und auch "Fool For Your Loving" ist doch nicht wirklich ein Stampfer wie er hier geboten wird. Ja, da macht sich etwas Ernüchterung breit. Bei aller Klasse der einzelnen Musiker, aber da fehlt das Herz und die Hingabe. Und da kann Coverdale auch stimmlich kämpfen, wie er möchte. Das klappt nicht und der Song ist auch nicht zu retten.
Und mit einem leichten Schmunzeln nehme ich zur Kenntnis, dass man mit dem Chartbreaker "Here I Go Again", logischerweise aus dem Jahr 1987, wieder voll auf der sicheren Seite ist. Zwar gab es diese Nummer schon einmal 1982 auf "Saints & Sinners", aber man bevorzugt hier natürlich lieber die etwas weniger einfühlsame Ausgabe, die den Ohrwurm 5 Jahre später noch mal zum Verkaufsschlager gemacht hatte. Logisch, dann gibt es mit über 8 Minuten "Still Of The Night". Dieser Track ist im Grunde vollkommen über, aber auf dem Studio-Album verstand man es damals, in den ruhigen Parts eine unglaubliche Spannung aufzubauen. Das gelingt der Formation, so wie sie hier auf der Bühne steht, nicht. Fertig ist CD 1 und ich habe gemischte Gefühle. So sehr einige Songs richtig drücken und hämmern, so entgeistert blicke ich allerdings auch auf die gespielten Klassiker, die Whitesnake eigentlich zu dem gemacht haben, was sie später geworden sind.
Die zweite CD beginnt mit einem Klassiker der Marke Deep Purple. "Burn" jagt schon recht grandios in die Gehörgänge. Dass das nicht Glenn Hughes ist, der die Background-Vocals, übernommen hat, hört man sofort. Aber ich will auch nicht motzen und immer wieder anführen, dass früher alles besser war. Vor allen Dingen die Orgeln sind wunderbar in Szene gesetzt. Auch der kleine Abstecher zu "Stormbringer" wurde gekonnt eingebaut. "Give Me All Your Love Tonight" ist bekanntermaßen ein Boogie. Coverdale lässt mit der Stimme nach, sie wird dünner. Hat man nun versäumt, im Studio nach zu regeln oder wollte man dem Hörer die wirkliche Live-Atmosphäre vermitteln? Letzteres wäre ja sogar löblich.
Ja, die Gitarren sind stellenweise brachial. Bei den Rockern ist das auch in Ordnung. Aber bei "Walking In The Shadow Of The Blues" will da keine richtige "Love Hunter"-Stimmung bei mir aufkommen. Die Hammond ist zu leise und auch zu wenig dominant. Leider. Also gehen wir mit "The Deeper The Love" noch einmal auf Schmusekurs. Das gelingt auch. Es klingt souverän und sehr anständig. "Ready An' Willing" vom gleichnamigen Album hat man zu Beginn mit ein paar Gimmicks versehen. Und na klar, schon im Jahr 1980, hätte man die Nummer etwas straighter und heftiger spielen können. Und so ist das aber auch das einzige Mal, wo mich die Band mit ihrer aktuellen Spielweise richtig überzeugt. "Don't Break My Heart Again" klingt dagegen wieder dermaßen herzlos, obwohl die Keyboards hier besser zur Geltung kommen. Den Abschluss der Live-Mitschnitte macht das zügige "Take Me With You". Der Drive ist da und ich habe den Eindruck, dass sich Keyboarder Timothy Drury erst jetzt richtig warm gespielt hat.
Obwohl sich noch vier neue Studioaufnahmen auf der CD befinden, muss ich noch ein paar abschließende Worte zu den Live-Tracks verlieren. Wir können froh sein, dass David Coverdale, trotz der an manchen Stellen signifikanten Altersschwäche, wieder voll da ist und dass das Projekt hinreichend gepusht wird. Für viele positive Eindrücke sorgte schon die zitierte DVD. Die Jungs können rocken und es qualmt an vielen Stellen. Aber gerade die wirklichen und nachhaltig im Gedächtnis gebliebenen kultigen Stücke, insbesondere aus der Ära 1978 - 1980, sind mehr als mau gespielt. Das ärgert mich richtig. Wenn es nicht schon ein brillantes Live-Zeugnis aus dem Jahr 1980 geben würde, dann wäre ich sehr betrübt. So kann ich mir zur richtigen Zeit dieses Teil reinziehen und ich bin mir sicher, auf der abgelaufenen Tour im letzten Sommer nicht wirklich viel verpasst zu haben.
Bei den ganz neuen Aufnahmen haben Whitesnake allerdings die überschwängliche Power mit aufgenommen. Das lässt, falls es wirklich zu einem neuen Studio-Album kommen sollte, Hoffnung dahingehend aufkommen, dass man mit dieser Band wieder einen gewissen Stil verbinden kann. Der ist dann modern. Schnell und einigermaßen 'heavy', teilweise nach unten gestimmte Gitarren und mit "If You Want Me (I'll Come Running)" hat man auch wieder einen richtigen Tränendrücker am Start. Feuerzeuge raus und Wunderkerzen an. Voilà, das gibt Stimmung.
Im Gesamten also ein Doppeldecker, der einen verzücken kann, der aber auch insbesondere im nostalgischen Bereich die eine oder andere Enttäuschung in sich birgt.
Line-up:David Coverdale (vocals)
Doug Aldrich (guitars)
Reb Beach (guitars)
Uriah Duffy (bass)
Tommy Aldridge (drums)
Timothy Drury (keyboards)
Tracklist:CD 1:01:Bad Boys
02:Slide It In
03:Slow An' Easy
04:Love Ain't No Stranger
05:Judgement Day
06:Is This Love
07:Blues For Mylene
08:Snake Dance
09:Crying In The Rain
10:Ain't No Love In The Heart Of The City
11:Fool For Your Loving
12:Here I Go Again
13:Still Of The Night
CD 2:01:Burn - Stormbringer - Burn
02:Give Me All Your Love Tonight
03:Walking In The Shadow Of The Blues
04:The Deeper the Love
05:Ready An' Willing
06:Don't Break My Heart Again
07:Take Me With You
08:Ready To Rock (New Studio Recording)
09:If You Want Me (I'll Come Running) (New Studio Recording)
10:All I Want Is You (New Studio Recording)
11:Dog (New Studio Recording)
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Gruß Jogi
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