Hoelderlin, nach dem deutschen Dichter Johann Christian Friedrich Hölderlin (1770-1843) benannt, lassen sich davon inspirieren, dass progressive Musik wieder in aller Munde ist. Eine Band, die in den 70er Jahren mit dafür sorgte, dass in Deutschland endlich konkurrenzfähige Musik entstand. Ursprünglich eigentlich im Folk Rock verankert, veränderte sich der Stil im Laufe der Zeit zunehmend zur progressiven Musik. Fast schon einzigartig war die Anzahl der Musikinstrumente, die Hoelderlin auf ihren Alben unterbrachte.
Laut eigenem Bekunden war die Neue Deutsche Welle mit dafür verantwortlich, dass es die Band ab dem Jahr 1981 und nach ihrem bis dato letztem Output "Fata Morgana" nicht mehr gab. Gerade einmal 26 Jahre später liegt uns nun "Eight", das achte Album also, von Hoelderlin vor. An dieser Stelle erlauben wir uns den Hinweis, dass die EMI gerade fast den gesamten Katalog soundtechnisch überarbeitet, und mit feinen Extras versehen, noch mal auf den Markt geworfen hat.
Von der damaligen Formation finden wir noch Schlagzeuger Michael Bruchmann und Hans Bäär am Bass vor. Der Rest der Band besteht aus jungen und ambitionierten Musikern. Besonders fällt dabei Leadsängerin Ann-Yi Eötvös auf, die den neuen Sound der Band maßgeblich mit bestimmt und mit ihrer Geige an so manchen Stellen einen guten Einsatz hat. Andreas Hirschmann an den Tasten und Dirk Schilling an der Gitarre komplettieren das aktuelle Line-up. Die Wuppertaler bedienen sich noch zweier bekannter Gastmusiker, nämlich Jörg Peter Siebert (Saxophon, Klarinette) und Christoph Noppeney (Bratsche).
Wer jetzt glaubt, dass mit Einlegen der neuen Scheibe sofort eine Zeitreise beginnt, sieht sich auf der Stelle getäuscht. Zum einen erklingt das Quintett sehr modern und die Strukturen der Songs wirken sehr übersichtlich. Hier nun vollends auf Popmusik abzuzielen, wäre in der eigenen Beurteilung des gebotenen Stiles auch nicht richtig, denn es wird zwischendrin, wenn auch zurückhaltend, gerockt. Ann-Yi Eötvös singt im Grunde genommen sehr brav und die Worte 'zerbrechlich' und 'melancholisch', wie von der Band selbst angeführt, treffen überwiegend zu. Und wenn ich mir den Eröffnungstrack "Angel" zu Gemüte führe, kann ich mich mit der sanften und hohen Stimme sehr gut anfreunden. Ich gebe es zu, ich hatte anlässlich der Live-Auftritte der Gruppe im vergangenen Jahr, vornehmlich beim alten Material, meine Bedenken. Im Gegensatz dazu passt die Lady nun bei diesen Aufnahmen sehr gut. Bei "Nice To Be Real" entdeckt man eine ganz neue Note. Sehr eingängige, dezent eingesetzte Melodieläufe, ergänzen sich mit dem weiblichen Gesang hervorragend. "You", das ist der einzige wirkliche Longtrack auf dem neuen Album. Hier hört man die Bratsche von Christoph Noppeney. So ein bisschen fühlt man sich doch in frühere Krautrockzeiten zurückversetzt. Der Hörer kann hier die Augen schließen und verträumten Melodien lauschen. Und wie eingangs beschrieben beansprucht im letzten Teil des Songs auch der Rock seinen Anteil.
"Caleidoscope" bietet einen sozialkritischen Text, der sich mit dem Raubbau an Natur und Leben beschäftigt und natürlich kommen da Erinnerungen an "Lärm" von "Fata Morgana" aus dem Jahr 1981 hoch. Aber auch musikalisch zeigen sich hier die 'neuen' Hoelderlin in einem sehr modernen Soundgewand. Schön wie hier das Wah in der Gitarre mitläuft. Aber auch ein bombastischer Keyboard-Teppich wird bei "Come To Me" ausgelegt. Irgendwie kommt die Nummer bei mir auf Anhieb gut an, und da hier etwas mehr Energie reingelegt wurde, hätte ich auch keine Bedenken, wenn Hoelderlin zukünftig auch ein Album präsentieren, welches etwas heftiger zur Sache geht. Zuletzt ist noch das Instrumentalstück "The Mechanism Of Antikythera" erwähnenswert. Hier finden wir sehr komplexe Arrangements vor, die in der Tat daran erinnern, dass diese Band sich im progressiven Bereich anzusiedeln weiß.
Album Nummer acht... hoffentlich folgen noch weitere. Ich bin sehr angenehm überrascht und hätte vor allen Dingen nicht geglaubt, dass die 'Neuen' mit den 'Alten ' so gut zusammen spielen. Hoelderlin haben uns etwas den Wind aus den Segeln genommen, in dem sie mit ihren neuen Songs den Vergleichen mit 'Damals' aus dem Weg gehen. Das könnte ein kluger Schachzug gewesen sein. Und dennoch nehme ich ihnen ihr jetziges Gesicht ab. Es kommt ehrlich rüber und von daher bleibt uns nichts anderes übrig, als die Daumen zu drücken und den weiteren Weg interessiert zu verfolgen. Fans der Band werden ohnehin zugreifen. Dass es die beiden Songs "Elder" und "Blue Jay Way" nur online gibt, bedeutet allerdings die Rote Karte! Bonus-Tracks gehören auch zur modernen Musikwelt und auf das Album!!!
Line-up:
Andreas Hirschmann (keyboards, vocals) Dirk Schilling (guitars, vocals) Hans Bäär (bass, acoustic guitars, vocals) Ann-Yi Eötvös (vocals, violin) Michael Bruchmann (drums)
Tracklist:
01:Angel (5:40) 02:Nice To Be Real (5:07) 03:You (8:45) 04:Forget Me Now (4:17) 05:Late (3:53) 06:Caleidoscope (6:07) 07:On The Bridge (6:34) 08:Come To Me (4:45) 09:The Mechanism Of Antikythera (6:15) 10:Rivers (5:29)
Lieber Jogi, das, was Hoelderlin mit "8" abgeliefert haben, hast Du ja richtig gut definiert. Das freut mich. Ich höre die Scheibe ja zur Zeit bei jeder Autofahrt und sie wird immer besser, weil nach mehrmaligem Hören auch die feineren Klangstrukturen wahrnehmbar werden.....vor allem der mehrstimmige Gesang turnt mich an. Aber auch die Arrangements mit Flöte, Sax., Bratsche, Keyboards, diverse Gitarren bilden eine große Bereicherung der Songs. Mir könnten zukünftig tatsächlich auch ein paar heftigere Nummern zusagen..... LG und Danke Maler
"Come To Me" ist ein sehr starkes Stück. Keine Ahnung, ob es ein Zufall war, dass die Band mal richtig ein Brikett aufgelegt hat. Sie können es und es passt meines Erachtens durchaus sehr gut ins Gesamtkonzept. Hoelderlin haben in der Tat noch einiges vor sich. Dran bleiben und unaufhaltsam weiter komponieren.
Und ich bin gespannt, was uns Renate zur neuen Scheibe zu sagen hat. Die hat aber leider wohl nur einen Thread aus dem Forum abonniert und bekommt den Meinungsaustausch hier jetzt nicht mit
Von mir könnte nur die Produktion etwas ungeschliffener sein. Klingt doch sehr brav. Grade "Come to me" hat in der Liveversion den Sound, den ich auf der Studioaufnahme vermisse. Moderne Produktion muß ja nicht heißen, daß alles glatt klingt, im Gegenteil. Ich denke live kommen die Sachen bestimmt viel besser.
Trotzdem mag ich die Platte und ich denke sie wächst noch bei mehrmaligem hören.
Live war das sehr gut, besonders "You". Bei "Come To Me" bevorzuge ich aber eindeutig die Studiversion, weil ich nach wie vor finde live kommt Ann-Yis zarte Stimme gegen die Instrumente nicht an. Da muss sie sich zu sehr plagen. Vielleicht bekommt man das aber ja bis zur Tour noch in den Griff. Wär schön.
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