Nun ist es endlich soweit. Das Warten hat ein Ende. Im Interview angekündigt, liegt nun die mit Spannung erwartete neue CD mit dem Titel “Still Making History“ vor. Wie angekündigt einerseits mit der Phantom Blues Band eingespielt und von John Porter produziert. Andererseits finden wir auf dem Album von David Z. produzierte Songs und diese wurden mit ’alten’ Bekannten wie dem Drummer Steve Potts (Luther Allison, Debbie Davis, Carl Weathersby, Robben Ford), den Bassisten Dave Smith sowie Sam Shoup, Al Gamble (keyboards) und Jack Holder (guitar) in Memphis eingespielt. ’Alt’ deswegen, weil sie mit diesen Musikern, ebenfalls in Memphis, bereits Songs ihres Debüts “Hush“ aus dem Jahr 2001 einspielte.
“Still Making History“ ist ihr Einstand für Delta Groove Music, genauer geschrieben für Eclecto Groove Records, einem Ableger des in Kalifornien ansässigen Labels.
Live präsentierte Ana bereits einige der Songs, die sich auf der aktuellen CD befinden, auf ihrer letzten Tour, die im Dezember 2006 endete. “Shadow After Dark“, in dem sie mit dem Milošević-Regime ’abrechnet’, ist einer davon. Textuell spiegelt sie die traurige Lebenssituation sehr transparent und auch nachdenklich machend: >>What hope for a generation?... What can history teach us? When it’s covered with scars We learn to swim But we’re swimming with sharks… Trust no shadow after dark… You watch them build a graveyard Out of a park…<< So entschlossen, wie sie das Thema in Worten angeht, ist dieser Titel auch in seiner musikalischen Umsetzung. Mit viel Verve in der Stimme und einem laut schreienden Gitarrensolo macht die gebürtige Serbin ihrem Unmut Luft. Tony Braunagel unterlegt den Song mit einem vertrackten Drum-Rhythmus und Sam Shoups Bass pumpt ’bedrohlich’. Die Hornsektion (hier Scott Thompson und Jim Spake) gibt der Nummer zusätzlichen Druck. Ruhig, fast entspannt beginnt der Song und baut bis zum Ende hin immer mehr Spannung und Lautstärke auf. Im Vordergrund steht jedoch Anas Gesang und Solo.
Die anderen beiden Songs beim Konzert waren definitiv nicht “Between Our Worlds“, denn das ist… Reggae. Textlich macht sich Popovic die Hungersnöte des afrikanischen Kontinents zu ihrem Thema. Mit diesem Song liefert sie sicherlich eine neue Facette ihres musikalischen Spektrums und erweitert dieses auf sehr kompetente und elegante Weise.
Wahrscheinlich fragen sich viele Leser und Leserinnen, ob wir es denn nun mit einer völlig neuen Ana Popovic zu tun haben? Die Antwort lautet ’jein’, denn so etwas wie den Opener “U Complete Me“ mit einer exzellenten WahWah-Gitarre der Protagonistin haben wir schon des öfteren gehört. Blues-rockiges mit krachendem Solo ist ja auch eine Seite ihrer Musik. Die Backing Vocals der drei Damen sind erfreulich soulig und “Hold On“ ist ein Beitrag aus ihrer funkigen Abteilung. Ein Song, in dem sie sich eine Welt ohne Grenzen wünscht. Die Bläser sind so richtig knackig und glänzen durch feine Breaks und Hooklines. War das Solo im ersten Track glasklar, bewegt sich hier ihr Fuß fachfraulich auf dem WahWah-Pedal. Gecovert hat die Belgraderin auch immer schon. War es auf “Hush“ z.B. “Downtown“ von Tom Waits, auf “Comfort To The Soul“ ein Song von Steely Dan oder Howlin’ Wolf, so beglückt sie uns jetzt mit “Hungry“ von Macella Levy/Dick Sims geschrieben, das dann auf Claptons “No Reason To Cry“ (1976) auftauchte. Selbst bei mehrmaligem Hören findet man kein Haar in der Suppe und der Track ist als gelungenes Cover zu bezeichnen. Weiter in der Cover-Trilogie geht es mit “You Don’t Move Me“ von Big Mama Thornton. Dem Titel folgend ist genau das Gegenteil der Fall, denn er bewegt, nämlich den Body. Beim Hören in den vier Wänden des Zimmers ist mindestens die Fußwippe angesagt und im Konzertsaal kann dazu abgetanzt werden. “You Don’t Move Me“ würde gut ins Set passen. Ana und das Bottleneck: Wie im Interview angekündigt gibt es mit “How’d You Learn To Shake It Like That?“ ein Snooky Prior-Cover. John Cleary mit tollem Piano-Teppich und mal kein weiblicher Chorus, denn neben Cleary sind Mike Finnigan, Terry Wilson und Tony Braunagel am Mikrofon. Authentizität ist angesagt und dass die Popovic den unverfälschten traditionellen Blues beherrscht und nicht nur verwaltet, ist hiermit belegt.
In der Dramaturgie der CD rahmen die beiden Fremdkompositionen “Hungry“ und “You Don’t Move Me“ ein Juwel unter den CD-Perlen ein: “Doubt Everyone But Me“ ist Bar-Jazz der coolen Art. Ein Track bei dem man unweigerlich ’hängen’ bleibt und der ist von Popovic geschrieben! Es steht zu befürchten, dass manche ’Fans’ schon damit anfangen, die Stirn in Falten zu legen, wenn sie so etwas lesen. Popovic und ihre jazzige Seite ist und bleibt hoffentlich ein Element mit langem Haltbarkeitsdatum, wie der Titeltrack, mit ähnlichen Anleihen und einem tollen Lenny Castro. Er drückt aus, dass Geschichte hier und jetzt stattfindet und wir es in der Hand haben, das Beste daraus zu machen.
Es gibt aber nicht nur die politische Ana, denn wenn wir “My Favorite Night“, in Trio-Besetzung eingespielt, hören, kommen wir auch zur akustischen Komponente der CD. Was die Popovic da auf der stromlosen Gitarre zaubert, ist erstaunlich. Ruhige sphärische Phasen (Sam Shoup am bundlosen Bass) wechseln mit Uptempo-Passagen ab und man höre sich nur die Übergänge an: Gigantisch! Wenn sie auch noch das Metallröhrchen über die Saiten der Akustischen gleiten lässt ist das Hörvergnügen perfekt. Abermals ein Highlight! Worum es in “My Favorite Night“ geht, kann jeder nachempfinden: Längere Zeit von Heim und Bett getrennt, freut man sich auf beides, vielleicht mehr auf das Bett und das nicht weil man müde ist. ;-)
“Calendars“, wieder mit akustischer Gitarre, ist die ganz ruhige Phase der CD und “Sexiest Man Alive“ ist der absolute Kontrast dazu. Der Titel sagt alles und wenn Ana die Titelzeile ins Mikro ’flüstert’, ist die Gänsehaut vorprogrammiert. Dieser Song hat einen heftigen Groove und man weiß nicht so genau, wohin man zuerst hören soll. Eine Nummer mit vielen Aktionen. Klasse!
“Still Making History“ schließt mit der Blues-Version des Openers und auf einen solchen Bonustrack lässt man sich gerne ein, denn es ist tatsächlich eine völlig andere Aufnahme, auch mit anderen Musikern eingespielt. Ana Popovic covert sich selber. Beide Versionen haben ihren Stellenwert.
Stellenwert ist dann auch das Stichwort für ein abschließendes Resümee: Welche Relevanz hat “Still Making History“? Eine verdammt hohen, denn nur aus einer inneren Zufriedenheit kann ein solches Werk entstehen, pure Spielfreude, in jedem Bit des Silberlings zu spüren. Die amerikanische Connection scheint ihr gut zu tun und sie ist, aus europäischer Sicht, ja nicht ’aus der Welt’. Ana bleib(t) uns treu!
Line-up: Ana Popovic (vocals, guitar, acoustic slide guitar) John Cleary (clavinet - #1, 3, 13, piano - #3, 5, 6, 7, 8, 10, Wurlitzer - #3, 8, 13, vocals - #3, 10) Mike Finnigan (Hammond B3 - #1, 3, 5, 6, 7, 8, 10, 13, vocals - #3, 10) Terry Wilson (bass - #1, 3, 5, 6, 7, 8, 10, 13, vocals - #3, 10) Tony Braunagel (drums - #1, 3, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 13, vocals - #10) Jack Holder (second rhythm guitar - #2) Steve Potts (drums - #2, 4, 12, 14) Dave Smith (bass - #2, 4, 12, 14) Sam Shoup (bass - #9, 11) Scott Thompson (trumpet - #2, 11) Jim Spake (saxophone - #2, 11) Lenny Castro (percussion - #3, 7, 8, 13, tambourine - #5, congas - #12) Joe Sublet (tenor saxophone - #3, 7, 13, 14) Darrell Leonard (trumpet - #7, 13, 14, trombone - #3) Al Gamble (Hammond - #11, 14) Cynthia Manley (backing vocals) Jessica Williams (backing vocals) Portia Griffin (backing vocals) Jaqueline Johnson (backing vocals)
Tracklist: 01:U Complete Me (3:46) 02:Hold On (4:11) 03:Between Our Worlds (5:06) 04:Is This Everything There Is? (3:48) 05:Hungry (4:06) 06:Doubt Everyone But Me (4:21) 07:You Don’t Move Me (4:42) 08:Still Making History (6:05) 09:My Favorite Night (4:55) 10:How’d You Learn To Shake It Like That? (3:57) 11:Shadow After Dark (4:16) 12:Calendars (4:23) 13:Sexiest Man Alive (4:13)
Bonus Track: 14:U Complete Me (Blues Version) (5:24)
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