Ich habe diese beiden Alben bewusst zusammen genommen, ist die hier auf 2 Doppel-CDs dokumentierte Musik doch an einem Tag aufgenommen worden, am 1.Februar 1975 in der Osaka Festival Hall, also in Japan.
Die Titel von „Agharta“ stammen aus der Nachmittags-, die von „Pangaea“ aus der Abendshow der Band.
Wo wir gerade dabei sind, die Band, bitteschön:
· Miles Davis (electric trumpet with Wah Wah, organ) · Sonny Fortune (soprano saxophone, alto saxophone, flute) · Pete Cosey (electric guitar, Synthesizer, percussion) · Reggie Lucas (electric guitar) · Michael Henderson (electric bass) · Al Foster (drums) · Mtume (conga, percussion, water drum, rhythm box )
Auffällig ist, dass mit Sonny Fortune und Al Foster die einzigen reinen Jazzmusiker dabei waren in der damaligen Formation von Miles Davis.
Sicher ein klarer Hinweis darauf, dass Davis bewusst auf eine Fusionierung von Jazz und Rock hinsteuerte.
Hierzu, seine Musik jener Zeit betreffend, soll Davis selbst folgendes geäußert haben:
„Wir sind drei Orchester in einem: ein afrikanisches, ein okzidentales und ein orientalisches.“
Fakt ist, dass hier eine unglaublich wogende Fusion von schwer triefendem Funk, von schleppendem Rock, von perkussiv afrikanischen Elementen und jazzigen Improvisationen geboten wird.
Kurz zu den „Nicht-Jazzern“ unter den Musikern:
Pete Cosey – wer die Geschichte des Labels CHESS aufmerksam verfolgt hat, wird diesen Namen im Rahmen des musikalischen Wandels der Plattenfirma sicher gelesen haben, war er dort doch als Sessiongitarrist fleißig tätig. Hören kann man ihn bei Produktionen von Muddy Waters („Electric Mud“), Howlin’ Wolf(auf dem berühmt-berüchtigten „Howlin’ Wolf-Album“, das der Künstler so gar nicht mochte) und z.B. bei Etta James.
Hier nun konnte er sich ausleben, Davis legte ihm erst gar keine Zügel an und Cosey konnte sich frei entfalten und tat dieses auf oft furiose Weise! Hemmungslos „quälte“ er seine Gitarre, die Saiten schienen bisweilen kurz vorm Bersten zu stehen, Jimi hätte seine Freude gehabt! Man beachte die „sägende“ Gitarre auf „Theme from Jack Johnson“.
Jazzpuristen dürften angesichts dieser Klänge die Nasen rümpfen.
Mir gefällts, dieser packende und wohltuend an den Nerven zerrende Sound.
Reggie Lucas ist hier der zweite Gitarrist, der einen historischen Hintergrund als Jazzgitarrist hat, diesen aber auf den Aufnahmen nicht unbedingt zur Schau stellt, ist es doch auch Cosey, der hier im Vordergrund steht. Aber letzlich trägt er zum Gesamtbild prägend bei.
Michael Henderson, der Bassist, war nie ein Jazzmusiker. Seine Wurzeln liegen im Soul und im Funk. Bereits in den 60er Jahren verdiente er sich sein Geld als Sessionmusiker beim Detroiter Soul-Label MOTOWN. Seit 1970 war er anschließen bei Miles Davis in Diensten.
Da ihm das swingende und lockere Element manch eines Jazzbassisten fehlt, ist er es, der den Sound mehr oder weniger „erdet“. Er war halt das Fundament dieses ansonsten vielleicht abhebenden Wahnsinns.
Und dann war da noch Mtume, genauer gesagt, James Mtume, Sohn des Saxofonisten Jimmy Heath. Er begleitete Miles als Perkussionist in den Jahren 1971 bis 1975.
Hier sorgt er für das afrikanische Element, in dem zusammen mit dem Drummer Foster den Rhythmus zum Vibrieren bringt.
Miles’ geplantes Vorhaben von Polyrhythmik wurde so perfekt umgesetzt, ein wahrhaft brodelnder Hexenkessel!
Wir hören auf diesen 4 CDs Musik, wie viele ihn vielleicht in dieser Form von Miles Davis gar nicht kennen.
Nicht der coole Miles ist es, auch nicht jener, der mit „In A Silent Way“ und „Bitches Brew“ ein neues Kapitel aufschlug, sondern hier legt er noch einmal „eine Schippe auf“ bezüglich der Musik, wie er sie im Grunde genommen mit der CD „On The Corner“ begonnen hatte. (1972) Hier war es ein klarer Schritt in Richtung dessen, seine farbigen „Brüder und Schwestern“ ins Boot zu holen. Darüber hinaus schien er sich in Richtung Weltmusik öffnen zu wollen, denn Tabla- und Sitarklänge schwebten durch die satt groovenden Klangräume.
Dieses ist hier live nicht mehr vorhanden, hier ist Davis in der Verschmelzung mit dem Rock noch einen Schritt weiter gegangen. Hier herrscht viel Improvisation, viele werden diese Endlosschleifen möglicherweise für entsetzlich langweilig betrachten, einige werden mit dieser Musik so gar nichts anfangen können.
In der Tat kommt die Musik hier ungezügelt, und nicht so geglättet, wie es Produzent Teo Macero seinerzeit oft im Studio durch Nachbearbeitungen bügelte.
Hier ist die Energie Herr des Geschehens, Energie, die manchmal außerirdisch erscheint, und meistens, bis auf einige ruhige Momente, wie in „Maiysha“ beispielsweise, recht unbequem.
Ein wahrer Klangwall ist es, auf den der Hörer hier bisweilen trifft, vielleicht sogar in einigem Momenten Angst einflößend.
Dabei ist zu beobachten, dass sich die Energie anlässlich des Abendkonzertes (also auf „Pangaea“) etwas abgebaut hat. Diese Platte ist insofern etwas „zugänglicher“, und darüber hinaus werden hier mit Titellängen von 41:48 und 46:50 rekordverdächtige Zeiten vorgelegt.
Der Saxer Fortune tritt angesichts der elektronischen Wucht irgendwie in den Hintergrund, doch ist durchaus nicht unterrepräsentiert, und liefert hervorragende Solobeiträge.
wie immer ne wunderschöne Beschreibung von dir. Diese zwei Hammeralben kann ich auch nur empfehlen. Musik am Limit, weit weg von üblichen Jazz/Rock Vorstellungen.
Obwohls ganz andere Musik ist, für mich ähnlich intensiv wie Coltrane in seinen wildesten Zeiten.
Vielleicht ist es Wahnsinn sich den Träumen hinzugeben, vielleicht ist es Wahnsinn normal zu sein. Ganz gewiss aber ist es der allergrößte Wahnsinn das Leben nur so zu sehen wie es ist und nicht wie es sein sollte
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