Mit meiner Rezension möchte ich eine Lanze brechen für ein Album, dass offenbar keine Lobby hat:
...and then there were three... von Genesis (1978)
Mit dieser Platte habe sich die Band seinerzeit vom Progressive Rock verabschiedet und dem belanglosen Pop zugewandt, so lautet die Kritik selbst vieler Fans - eine Einschätzung, die ich ganz und gar nicht teile. Meines Erachtens haben die verbliebenen Drei damals eine Seite betont, die bei ihnen stets vorhanden war. Poppige Melodien und eingängige Refrains gab es nämlich schon zu Gabriels Zeiten; eine Tatsache, die immer wieder gern unterschlagen wird - entweder von Journalisten, um die Genesis-Historie klar und plakativ unterteilen zu können, oder von Puristen, für die alles, was von der Band nach The Lamb produziert wurde, kommerzielles Teufelszeug darstellt.
Für mich knüpft And Then There Were Three nahtlos an Wind & Wuthering an. Der Prog-Charakter bleibt bei den meisten Stücken, allen Pop-Einflüssen zum Trotz, deutlich spürbar. Und auf der textlichen Ebene erweisen sich Genesis einmal mehr als großartige Geschichtenerzähler. Auch den Vorwurf der ungesunden Keyboardlastigkeit als Folge des Abgangs von Steve Hackett kann ich nicht ganz gelten lassen. Natürlich war Hackett nicht eins zu eins zu ersetzen, aber ich finde keineswegs, dass die Gitarre auf dem Album zu kurz kommt; Rutherford hat hier großartige Arbeit geleistet. Im übrigen hat es bei Genesis immer eine gewisse Keyboarddominanz gegeben - Tony Banks war nun einmal unbestritten der primus inter pares. Sein Spiel und seine Arrangements sind über jeden Zweifel erhaben und tragen auf And Then einmal mehr entscheidend bei zum typischen märchenhaft-versponnenen Charakter des damaligen Band-Sounds.
Die Songs im Detail:
1.Down and Out - Kapitalismus-Kritik im 5/4-Takt. Das Stück ist ein echter Prog-Hammer, mit träumerischem Intro/Outro, vertracktem Groove und furiosem Keyboard-Solo.
2.Undertow - eine ergreifende Ballade über die Gefühle eines Todgeweihten. Was für ein Refrain! Mehr kann Musik nicht leisten.
3.Ballad of Big - spaßige Nummer über das tragische Ende eines fiktiven Westernhelden. Der Erzählstil erinnert mich an Harold the Barrel, die Musik entfernt an den "bang, bang, bang"-Teil aus Supper's Ready.
4.Snowbound - für mich das Winterlied schlechthin. In einer besseren Welt würde es jetzt landauf, landab anstelle eines anderen, dessen Titel ich hier nicht nennen will, im Radio gespielt. Es lebt von Mike Rutherfords genialen Akkordfolgen sowie einem perfekt zur Jahreszeit passenden Synthie-Sound. Zwei Textzeilen möchte ich noch zitieren, weil sie mich tief berühren: "They say a snow year's a good year Filled with the love of all who lie so deep."
5.Burning Rope - aus meiner Sicht einer der ganz großen Genesis-Klassiker. Die "Lebe-im-Hier-und-Jetzt"-Story wurde musikalisch perfekt umgesetzt, wobei das Gitarrensolo den emotionalen Höhepunkt bildet. Vom Aufbau her ähnelt das Stück ein wenig Get'em out by Friday - nicht zuletzt wegen der Zeitraffer-Passage.
6.Deep in the Motherlode - faszinierendes Goldgräber-Epos mit bombastischem Sound und subtil-verzwicktem Zwischenteil.
7.Many too Many - starker Pop-Song mit Tiefgang und sehnsuchtsvoller Solo-Gitarre.
8.Scenes from a Night's Dream - rhythmisch kompliziertes Lied über die wunderbare Welt der Träume.
9.Say it's alright Joe - eine spannende Kombination aus Barmusik und Progressive Rock. Der radikale Bruch zwischen den beiden Stilen symbolisiert den Wechsel von der Aussensicht hin zur Innenperspektive des halluzinierenden Trinkers.
10.The Lady lies - ein weiteres Prog-Schwergewicht, und dazu ein Lehrstück über die berechenbare Triebhaftigkeit des Mannes. Musikalisch besticht es vor allem durch den brodelnden Rhythmus-Untergrund im Stil von Los Endos sowie das sirenenhaft betörende Keyboard-Solo, das gewissermaßen den Akt der Verführung des Protagonisten durch die "böse Hexe" beschreibt.
11.Follow you, follow me - textlich banales Liebeslied, das gegenüber dem Rest des Albums abfällt, gleichwohl verdientermaßen ein Hit wurde. Rein musikalisch betrachtet, finde ich es eigentlich ganz nett, so wie ich z.B. auch I know what I like ganz nett finde.
Mein Resümee:
Abgesehen von dem Textniveauhänger im letzten Stück und dem Fakt, dass (zu) viele Songs keinen richtigen Schluss haben, sondern einfach ausgeblendet werden, gibt es meines Erachtens an der Platte nichts zu mäkeln. Die Band hat hier in genialer Weise Anspruch und Kommerzialität miteinander verbunden. In meinen Augen ist And Then There Were Three ein verkanntes Meisterwerk, dass sich hinter A Trick Of The Tail und Wind & Wuthering nicht verstecken muss.
Ich mag das Album auch... Es hat schon eine spezielle Atmosphäre. Vielleicht auch, weil es mein erstes Genesis-Album war...? Wobei ich trotz allem bei der Punktevergabe etwas tiefer ansetzen würde. Für mich kein Meisterwerk, aber ein schönes Album, das ich auch heute noch immer wieder gerne höre. Achso: auch Follow you, follow me übrigens!
Als dieses Album rauskam - es war gerade ein Tag vor Ostern - war ich 18 und pleite, aber zum Glück steckte mir meine Mutter einen 20er zu, damit ich es mir sofort kaufen konnte. Die ganze Osterzeit wurde dann davon geprägt, dass ich es ständig auf- und ab-dudelte, bis auch meine Mutter genervt war. Bis heute ist das Album für mich ein Soundtrack zu dieser Osterzeit. Aus heutiger Sicht sage ich: wenn dieses Album nicht so beliebt wurde, liegt es nicht daran, dass es schwach ist, sondern eher daran, dass andere Genesis-Alben doch noch etwas stärker sind (besonders das nachfolgende "Duke" entpuppte sich als positive Überraschung). Und ich persönlich finde, Genesis haben damals ihre Neigung, in wenigen Minuten ganze Romanstoffe nacherzählen zu wollen, vielleicht ein wenig überreizt. Aber mehr wüsste ich an diesem Album auch nicht zu meckern. Über "...and then there were three" mag man streiten - aber dieser Thread ist m.E. eine gute Idee!
Auch mich freuts Little Joe, dass du mal eines der klischeehaft dauergescholtenen Alben würdigst. Ein Album dass ich mir erst sehr spät gegönnt habe, das mir aber auf Anhieb gefiel, weil das Album eine durchgehende Atmosphäre hat. Sowas ist mir immer wichtig. Ähnlich W&W, das auch völlig unabhängig der Songs ne eigene Art von Atmosphäre hat.
Ich halts nicht für Genesis Beste, aber eine die ich auch heute noch sehr gern durchhöre. "Follow you follow me" hör ich sogar besonders gern, weils ein fluffig zartes Liebeslied ist. Und wie könnte ich sowas nicht mögen wo die Liebe doch das Grösste ist, das wir Menschen haben.
Also für And then there were three
Übrigens find ich wie unser Verrückthüter auch, das "Duke" Album richtig klasse
Vielleicht ist es Wahnsinn sich den Träumen hinzugeben, vielleicht ist es Wahnsinn normal zu sein. Ganz gewiss aber ist es der allergrößte Wahnsinn das Leben nur so zu sehen wie es ist und nicht wie es sein sollte
YES, eine Lanze für ...and then there were three, volle Zustimmung. Ich bin ehrlicherweise weder ein Genesis Fan noch -Kenner. Gerade zu den älteren Werken habe ich nie richtig Bezug gefunden, zu den letzten poppigen dann aber auch nicht mehr. Die Platte hat Stil und Atmosphäre, tolle Melodien und einen noch jungen unverbrauchten Sänger, der hier noch nicht wissen konnte, daß er eines Tages zum Pop-Titanen werden würde.
Project: Patchwork II: new album out mid march ´18
Mir fällt noch was zu "...and then there were three" ein, das hier noch nicht erwähnt wurde: Der Song "Undertow" hatte ursprünglich noch ein instrumentales Intro gehabt, das es dann aber nicht aufs Album geschafft hat (vermutlich aus Platzgründen, denn das fertige Album ist ja für LP-Verhältnisse nicht gerade kurz). Jedenfalls fand dieses Intro etwas später doch noch seinen Platz, weil Banks damit sein Soloalbum "A curious Feeling" eingeleitet hat - mit dem passenden Titel "From the Undertow"!
Zitat von MadhatterMir fällt noch was zu "...and then there were three" ein, das hier noch nicht erwähnt wurde: Der Song "Undertow" hatte ursprünglich noch ein instrumentales Intro gehabt, das es dann aber nicht aufs Album geschafft hat (vermutlich aus Platzgründen, denn das fertige Album ist ja für LP-Verhältnisse nicht gerade kurz). Jedenfalls fand dieses Intro etwas später doch noch seinen Platz, weil Banks damit sein Soloalbum "A curious Feeling" eingeleitet hat - mit dem passenden Titel "From the Undertow"!
Und isses schön das Intro ? Ich kenn Banks Soloscheibe nämlich nicht. Hätts zu Undertow gepasst deiner Meinung nach ?
Vielleicht ist es Wahnsinn sich den Träumen hinzugeben, vielleicht ist es Wahnsinn normal zu sein. Ganz gewiss aber ist es der allergrößte Wahnsinn das Leben nur so zu sehen wie es ist und nicht wie es sein sollte
Zitat von Jerry GUnd isses schön das Intro ? Ich kenn Banks Soloscheibe nämlich nicht. Hätts zu Undertow gepasst deiner Meinung nach ?
Es ist fast besser . Naja, die "...and then there were three" ist ja vor allem ein Song-Album für Short-Songs geworden (was ich nicht abfällig meine: mir fällt nur gerade auf, dass kaum ein Genesis-Album durch so viele kürzere Songs auffällt). Ein zusätzliches Intro hätte "Undertow" im Verhältnis zu den anderen Songs vielleicht etwas zu sehr aufgewertet und somit die innere Ausgewogenheit des Albums gestört. Auch das kann der Grund sein, wieso es rausfiel. Die Solo-Version von Banks finde ich allerdings genial: Es wirkt wie eine Transposition des Themas von Undertow - man erkennt das Grundgerüst des Songs wieder, aber die Melodie scheint bewusst-knapp daneben zu liegen. Mein Tipp an Jerry persönlich: Die "Curious Feeling" musst Du haben! Es gibt sie ja jetzt auch als Remaster...
Zitat von Jerry GUnd isses schön das Intro ? Ich kenn Banks Soloscheibe nämlich nicht. Hätts zu Undertow gepasst deiner Meinung nach ?
Es ist fast besser . Naja, die "...and then there were three" ist ja vor allem ein Song-Album für Short-Songs geworden (was ich nicht abfällig meine: mir fällt nur gerade auf, dass kaum ein Genesis-Album durch so viele kürzere Songs auffällt). Ein zusätzliches Intro hätte "Undertow" im Verhältnis zu den anderen Songs vielleicht etwas zu sehr aufgewertet und somit die innere Ausgewogenheit des Albums gestört. Auch das kann der Grund sein, wieso es rausfiel. Die Solo-Version von Banks finde ich allerdings genial: Es wirkt wie eine Transposition des Themas von Undertow - man erkennt das Grundgerüst des Songs wieder, aber die Melodie scheint bewusst-knapp daneben zu liegen. Mein Tipp an Jerry persönlich: Die "Curious Feeling" musst Du haben! Es gibt sie ja jetzt auch als Remaster...
hab jetzt mal reingehört, denke das taugt mir, von den Soundfiles her. Kommt auf den Notizzettel. Danke für den Tip
Vielleicht ist es Wahnsinn sich den Träumen hinzugeben, vielleicht ist es Wahnsinn normal zu sein. Ganz gewiss aber ist es der allergrößte Wahnsinn das Leben nur so zu sehen wie es ist und nicht wie es sein sollte
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