Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, … zumindest was Gary Moore angeht, denn er kann seine Musik, ob in Eigen- oder Fremdkompositionen, mit der Presslufthammer in einen Silberling meißeln. Er kann zum ’Luftholen’ auch eher Belangloses wie Old New Ballads Blues vom Stapel lassen oder mit “Blues For Greeny“ - sein Tribut an Peter Green - Atemberaubendes veröffentlichen. Nach dem Motto ’Moore und Blues gehen nicht zusammen’ spaltet er eh die Anhängerschaft dieser Musikrichtung in zwei Fraktionen. Wer hier die Oppositionsbank ’drücken’ muss, mögen eventuell Verkaufszahlen entscheiden.
Nun steht mit etwas über 50 Minuten neues Material vom Iren zur Rezension an. Auch für “Close As You Get“ gilt: Ein komplettes Album mit Eigenkompositionen gibt es nicht. 5 stammen aus seiner Feder und bei sechs Titeln ’bedient’ er sich bei anderen Bluesern.
Los geht es mit einem Song des 1952 in Belfast geborenen Musikers: “If The Devil Made Whisky“ ist erste Beleg dafür, dass der “Close As You Get“-Moore ein anderer sein könnte, als vielleicht erwartet. Der Opener startet mit schleppendem Rhythmus, der durch seinen langjährigen Thin Lizzy-Weggefährten Brian Downey und den Bassisten Pete Rees geprägt wird. Die oben bereits genannte Fraktion wird schnell zum altbekannten Urteil kommen: Klar, wusste man schon vorher! Das reißt einen nicht aus dem Sessel. Voreiliges Taxieren könnte allerdings zu einem Fehlurteil führen, denn Moore gibt eine, um beim Whisky zu verweilen, tolle Slide-Einlage von hochklassigem Blend. Natürlich ist ein blended Whisky nicht der vollkommene Genuss. Zur Single Malt-Ausgabe kommt Gary Moore mit einer Neuauflage des von Son House geschriebenen “Sundown“ dann am Ende der CD und damit taucht er tiefer als je zuvor in die Bluesgeschichte ein. Moore begleitet sich auf der Dobro, slidet gefühlvoll, singt toll und wir genießen Delta-Blues pur… Single Malt eben!
Sehen wir den einleitenden Track und den ’Rausschmeißer’ mal als Buchstützen für alle Songs, die sich dazwischen befinden, ist “Trouble At Home“ eine der nächsten Überraschungen, weil Moore eine Ballade geschrieben hat, die zunächst durch einen herrlichen Klang besticht. Empfehlenswert ist, den Lautstärkeregler weiter nach links zu drehen. Fast möchte man sich dazu hinreißen lassen, zu schreiben, dass die Qualität dieser Ballade in den nicht gespielten Gitarrentönen liegt. Die Gespielten pendeln zwischen Rockigem und Blues-Licks. Hat man sich vom fünfminütigen “Trouble At Home“ einlullen lassen, leitet uns der Mann ohne Umwege mit Chuck Berrys “Thirty Days“ direkt auf die Rock’n’Roll-Piste. Hier spielt er seine Gitarre songdienlich, denn nur für ein schmissiges Solo tritt er klangtechnisch ins Rampenlicht.
Hallo, ist die Moore-Opposition noch ’bei der Stange’? Spätestens beim ebenfalls selbstgeschrieben “Hard Times“ sollten einige kritische Bemerkungen verstummen. Moore rollt mit diesem Song einen ganz speziellen Groove-Teppich aus. Sein Solo ist kräftig und lässt die ’Brachial-Gitarre’ so manch anderer Songs der Vergangenheit vergessen. Mit Mark Feltham an der Harp kommt zusätzliche Hörfreude auf.
Vergangenheit ist das Stichwort für den folgenden Track: Peter Green und John Mayall bildeten in der Blues-History ja mal eine Einheit. Bei “Have You Heard“, von der britischen Legende geschrieben, fragt man sich, ob es im Bereich des Möglichen liegen kann, dass Gary Moore vielleicht Mal etwas von Gregor Hilden gehört hat? Ein Moore in “Have You Heard“ reicht an des Feeling des Münsteraners heran. Ganz fein und dezent wurden Vic Martins Keyboards in den Track arrangiert. Klasse, wie Brian Downey und Pete Rees dem Slow-Blues durch ihre Rhythmusarbeit das nötige Fundament geben.
Kurz und knapp, auf den Punkt gebracht, bedient sich Moore in seiner Sonny Boy Williamson-Version der rockigen Gitarre und der Rhythmus ist, ganz anders als in Todd Wolfes Slow-Ausgabe auf dem Album “Live From Manny’s Carwash“, von ’Fuß-Mitwipp’-Qualität.
Mit “Evenin’“ und “Nowhere Fast“ folgen gleich zwei Balladen aufeinander und erstere verdeutlicht, welch tolle Stimme der Moore hat. gerade dieser Track illustriert, Keyboards und die nach Green klingende Gitarre im Gleichschritt, dass “Close As You Get“ von Gary und Ian Taylor hervorragend produziert wurde.
Dann werden ordentlich Kohlen nachgelegt und wir freuen uns über einen weiteren Gastbeitrag des Nine Below Zero-Harpers, der sich in “Checkin’ Up On You Baby“ so richtig ’austoben’ kann. Schön, dass, bis auf das ausladende Solo, Moores Gitarre - wie häufiger - im Bandsound integriert wurde.
Hoppla, was ist denn jetzt los? In gewisser Weise ist “I Had A Dream“ dann doch ein ’Ausreißer’ auf dem Album, denn was uns hier zu Ohren kommt, ist eine Rockballade der feineren Sortierung, die mit dem Blues eher nichts zutun hat.
Vorher hat Gary Moore allerdings mehr als genug Belege dafür geliefert, dass er den Blues hat und auch spielen kann. Mit einer gewissen Leichtigkeit lässt er den Blues aus den sechs Saiten seiner Gibson Les Paul, die das Booklet in viele Detailaufnahmen ziert, fließen. Allem Anschein nach ist es die Les Paul, welche ihm der legendäre Peter Green überlassen hat und bei dem er sich dafür mit dem Album “Blues For Greeny“ bedankte.
Line-up: Gary Moore (vocals, guitar) Brian Downey (drums) Vic Martin (keyboards) Pete Rees (bass) Mark Feltham (harmonica - #4, 9)
Tracklist: 01:If The Devil Made Whisky (2:47) 02:Trouble At Home (5:00) 03:Thirty Days (3:16) 04:Hard Times (3:07) 05:Have You Heard (5:49) 06:Eyesight To The Blind (2:34) 07:Evenin’ (5:47) 08:Nowhere Fast (3:38) 09:Checkin’ Up On You Baby (5:24) 10:I Had A Dream (7:16) 11:Sundown (7:07)
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