1993 lieferte Jim Suhler seine erste CD unter eigenem Namen ab. Nach “Dirty Road“ (2002) und 5 Jahren Pause folgt nun “Tijuana Bible“. Faulenzerei kann man dem aus Dallas, Texas stammenden Gitarristen und Sänger nicht vorwerfen, denn er hat ja noch einen lukrativen ’Nebenjob’ bei den Destroyers, der Band eines gewissen George Thorogood.
Ein verwegener Kerl, der Jim Suhler, seine neueste CD “Tijuana Bible“ zu nennen. Unter diesem Titel gab es früher (1920-1960) pornografische Kurzcomics, nicht mehr als 8 Seiten im Kleinstformat (5x10 cm) und somit ist das Cover schon passend. Ob seine ’Bibel’ auch 16 reißerische Kapitel enthält, gilt es zu ergründen. Zumindest ist zunächst einmal festzustellen, dass Suhlers ’altes Testament’ verdammt schmal ausgefallen ist, denn es enthält lediglich drei Bücher (Songs). “Up To My Neck In You“ von der Strom-Combo des Gitarristen und Sängers in der Schuluniform AC/DC, “I Could’ve Had Religion“ von Rory Gallagher und “Drunken Hearted Boy“ von Elvin Bishop, der hier als ’Gastprediger’ vertreten ist. Folglich fällt Jims ’neues Testament’ wesentlicher umfangreicher aus und neben anderen verkündet Joe Bonamassa im 7. Kapitel seine Gitarren-Weisheiten.
Schon durch den Titeltrack, mit dem das Album eröffnet wird, konvertiert man zu einem Jim Suhler & Monkey Beat-Jünger. Fein rockender Blues mit schönen Licks, eingängigem Refrain und da weder bei den Monkey Beats noch in der Gästeliste irgendjemand für ein Akkordeon zuständig war, müssen die kurzzeitigen Quetschkommoden-Töne aus Shawn Phares Keyboards stammen. Trotzdem ist das Midtempo-Ding anziehend.
Auch der Teufel, genauer Slide-Teufel, der in Suhlers Seele ’schlummert’, hat freundliche Züge, denn “Devil In Me“ ist eine satte Slide-Show über das gesamte Griffbrett mit gut gesetzten Breaks und Tempiwechseln. Bishops selbstgeschriebenes ’Glaubensbekenntnis’ “Drunken Hearted Boy“ ist ein stampfender 12-Takter mit Elvin am Bottleneck. Gut hinhören ist angesagt, denn im Hintergrund klimpert dieser Phares herrlich, weil er sein Keyboard auf Honky Tonky-Piano gestellt hat. Höchst gitarrenlastig und erfreulich, die Nummer.
Riff-Rock ist angesagt, wenn das Quartett mit “Up To My Neck In You“ AC/DC zitiert. Passt irgendwie nicht so ganz ins ’biblische’ Konzept, aber die Luftgitarren-Jünger werden diese Nummer nicht im Sessel sitzend passieren lassen. Suhler verkündet hier nicht gerade das Evangelium und man gewinnt den Eindruck, als wäre der ansonsten sehr fähige Jimmy Morgan gezwungen, auf die Felle zu dreschen, um den Beelzebub auf Distanz zu halten. Wenn man im Gegensatz dazu dann einen Gallagher hernimmt und diesen interpretiert, kann ja fast nichts mehr schief gehen und man wird auch richtig verstanden: “I Could’ve Had Religion“ hat Klasse, die Slide-Gitarre ist aufgedreht. Wer ist Cheryl Arena, ebenfalls aus Dallas? Highlight, dieses Harp-Gebet von ihr.
Was predigt uns denn der ’Hohepriester’ von seiner Kanzel? Nix mit Rock, nix mit Blues: Das Lullaby im Titel “Deep Water Lullaby“ ist wörtlich zu nehmen, zumindest als Wiegen- und weniger als Schlaflied übersetzt. Suhler inklusive den Monkey Beat und Bonamassa mal anders auf “Tijuana Bible“. Passt schon, die Herren…
“Black Sky“ liest sich bedrohlich, ist die rockende Nummer aber nicht, auch wenn textuell Teufel und Dämonen vorkommen. Es darf gefeiert werden! Mit “Long Hot Summer“ frönt der Protagonist der Ökumene, denn der Song ist ein Gelehrter des kräftigen Southern Rock. Auch diesen Track verbuchen wir auf der Habenseite und wenn wir über den Rock’n’Roll getränkten “Border Rock“ (mit Gebläse) zu “Mexicali Run“ kommen, überzeugt uns der Amerikaner mit seinem Blues, deutlicher, mit seinem Boogie. Angesichts der Tatsache, dass es viel Slide-Gitarre zu hören gibt, ist “Chaos In Tejas“ davon freigesprochen, denn Suhler legt sein Gelübde an der Lead-Gitarre ab. Ist einem das noch nicht genug an Unterhaltung, sollte man das Kapitel “Juice“ der Bibel öffnen, denn dieser Track ist eine gelungene Mischung aus akustischer und elektrischer Gitarre, ohne Drums, dafür mit einigen Rasseln und Schellen als Rhythmusgeber. 100% Fruchtfleisch, ohne Süßstoff und nicht verwässert.
Suhlers “Tijuana Bible“ ist sehr gelungen, unterhaltsam und hat an sich den Sticker mit Bonamassas und Bishops Namen nicht nötig. Jim Suhler predigt alleine schon glaubwürdig genug und verleitet, sinnbildlich, zu einem Kirchgang.
Line-up: Jim Suhler (guitar, vocals) Carlton Powell (bass, backing vocals) Shawn Phares (keyboards) Jimmy Morgan (drums, percussion)
Tracklist: 01:Tijuana Bible (4:09) 02:Devil In Me (3:29) 03:Drunken Hearted Boy (4:40) 04:Up To My Neck In You (4:51) 05:Long Hot Summer (5:22) 06:Black Sky (5:08) 07:Deep Water Lullaby (6:06) 08:Years Of Tears (5:12) 09:Po’ Lightnin’ (4:08) 10:Border Rock (3:28) 11:Mexicali Run (4:01) 12:Sunday Drunk (3:43) 13:Chaos In Tejas (3:54) 14:Juice (4:05) 15:I Could’ve Had Religion (5:20) 16:Cold Light Of Day (3:36)
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