Tinsley Ellis spielt alles zwischen Himmel und Hölle. Keines seiner seit 1983 veröffentlichten Alben ist ein Durchhänger und auch “Moment Of Truth“ reiht sich geschmeidig in die Phalanx der 10 Vorgänger ein. Auch wenn er seiner neuen Platte den Titel “Moment Of Truth“ gegeben hat, ist dieser Augenblick schon über 10 Jahre her, denn bereits seine CD mit dem Titel “Storm Warning“ belegte, welche Klasse der 1957 in Atlanta geborene Gitarrist und Sänger hatte und hat.
Jeff Burch gehört seit einiger Zeit zu seiner Begleitband, Keyboarder Kevin McKendree quasi schon Ewigkeiten und welch eine Überraschung: Michelle Malone singt in “Tell The Truth“, einem Mid-Tempo Song, in dem sie den Refrain mit ihrer Stimme verstärkt. Nicht selten setzt Ellis das Wah Wah-Pedal ein und auch diese Gitarrensounds kommen meisterlich rüber. Bestes Beispiel ist “Too Much Of Everything“ und so wird der Track als erster Anspieltipp für dieses Album freigegeben.
Den rockigen Ellis hören wir bereits im Opener, “Say Too Much“. Deutlich werden die Einflüsse der britischen Blues-Invasion, die seinerzeit über Amerika herein brach. The Evil One spielt Basslinien, die an Creams “White Room“ erinnern. Deutlich wird, dass der Amerikaner nicht nur ein guter Gitarrist ist, sondern auch ein klasse Sänger, der seine Stimme genauso variantenreich einsetzt, wie seine Gitarren. Ist der Blues Rock die eine Seite, zeigt Ellis im letzten Song der CD, dass er es auch mit den ruhigen Tönen kann. “Shadow Of Doubt“ ist Down-Home-Blues mit akustischer (Slide-) Gitarre und Gesang. Dieser Song bleibt direkt in den Lauschern hängen und der Songwriter Ellis versteht es mit Können, seinen Songs mit tollen Breaks und Hooklines zu versehen. Passend dazu sollte man Mal in das Rock’n’Roll-lastige “Somebody“ reinhören. Im Line-up zwar nicht angegeben, singen zwei Herren hier Backing Vocals und das ist nicht von schlechten Eltern.
In “Get To The Bottom“ spielt The Evil One einen bundlosen Bass, Kevin McKendree lässt seine Hammond heulen und der Protagonist spielt zwei Soli, eines davon ist wieder Wah Wah gesteuert. Dass er es auch anders kann, zeigt Ellis im zweiten Alleingang dieses Songs. Jeff Burch bedient die Kongas im ruhigen “You’re Gonna Thank Me“. Deutlich wird, dass Tinsley auch im balladesken Bereich stets Herr der Lage ist, denn seine Gitarrenarbeit über den gesamten Track ist so etwas von fließend, dass es eine wahre Freude ist. Verhalten grooved “Bringin’ Home The Bacon“ den Highway entlang. Nicht schlecht, Herr Specht! Mike Lowry an der Rhythmusgitarre ist ein echter Zugewinn für “Moment Of Truth“, denn er sorgt in der Hälfte der Songs für einen satten Sound. Ellis tobt sich mächtig aus, zieht die Saiten seines Spielgerätes bis an die Grenze und auch hier wird deutlich, wie gut die CD vom Saitenzauberer produziert wurde.
“Freeway Soul“ ist ein Slow-Blues in dem die Keyboards eine tragende Rolle spielen. Wohl temperiert eingesetzt geben sie der Nummer einen melancholischen Charakter. Locker kann Ellis in “I Take What I Want“ aufspielen. Die funkige Rhythmusgitarre stammt hier von ihm persönlich. Erstaunlich, wie sich seine Stimme im Laufe der Jahre im weiter entwickelt hat. Da sind selbst die höheren Töne kein Problem für den mittlerweile Fünfzigjährigen. Ein wahres Prachtexemplar an Song ist ein weiterer Slow-Blues, der auf den Namen “Sleep On It“ hört. Es ist schon toll, wie es Ellis über die gesamten fast 7 Minuten schafft, einen einmal erzeugten Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Mit Akustischer und Bottleneck wird “Stare At The Sun“ eingeleitet, um dann zu einer treibenden Mid-Tempo Nummer mit elektrischer Slide-Gitarre zu mutieren. Dieser vom blubbernden Bass gesteuerte Mittelteil, in dem Ellis seinem Spielgerät eine Pause gönnt, hat es, diesen Überraschungsmoment, den ein Song einfach benötigt, um sich in den Gehörgängen zu verewigen.
Schon sind wir bei der bereits oben erwähnten abschließenden Nummer “Shadow Of Doubt“ angekommen, durch dessen Interpretation er sich problemlos mit einer Bonnie Raittn oder einem Calvin Russell messen kann. Wer von unseren Blues Rock-Fans noch keine Tinsley Ellis-CD in seiner Sammlung hat, sollte dieses umgehend ändern. “Moment Of Truth“ drängt sich da geradezu auf. Ist der Amerikaner kein Unkannter mehr, wird sein aktuelles Album mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Staub ansetzen.
Line-up: Tinsley Ellis (guitars, vocals) Kevin McKendree (Hammond organ, Wurlitzer piano) The Evil One (bass) Jeff Burch (drums, percussion) Mike Lowry (second guitar - #1, 3, 4, 7, 8, 10) Michelle Malone (backing vocals - #5)
Tracklist: 01:Say Too Much (5:55) 02:Somebody (3:44) 03:Get To The Bottom (5:07) 04:You’re Gonna Thank Me (5:59) 05:Tell The Truth (4:18) 06:Too Much Of Everything (5:09) 07:Bringin’ Home The Bacon (6:15) 08:Freeway Soul (4:09) 09:I Take What I Want (3:49) 10:Sleep On It (6:53) 11:Stare At The Sun (4:04) 12:Shadow Of Doubt (3:31)
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